Von Marco Ludescher, Dr. Blumer & Partner Vermögensverwaltung Zürich AG
Chinas Wirtschaft befindet sich in einer Deflation, während Europa mit einer Automobilkrise kämpft und in den USA massive Entlassungen stattfinden. Diese wirtschaftlichen Herausforderungen sind Teil eines umfassenderen globalen Trends, dem auch andere Länder gegenüberstehen, die mit wirtschaftlichen Rückschlägen und Unsicherheiten zu kämpfen haben.
David Kunz, BX Swiss, diskutierte im Experten-Interview mit Marco Ludescher, Leiter Asset Management bei Dr. Blumer & Partner Vermögensverwaltung, über die dominierenden Themen an den Finanzmärkten, einschliesslich einer eingehenden Finanzmarktanalyse sowie der Expertenmeinung zu Finanztrends.
- Eine Analyse der aktuellen Marktentwicklungen
- Unsicherheiten im August: Zinserhöhung in Japan löste globalen Marktausverkauf aus
- Chinas Wirtschaft in der Deflation: Massive Stimulusmassnahmen zur Rettung von Immobilien- und Aktienmarkt
- EU-Wirtschaft unter Druck: Wie fehlende Investitionen und Bürokratie den Kontinent bremsen
- Gewinnwarnungen und Werksschliessungen: Die europäische Autoindustrie steckt in der Krise
- Wirtschaftliche Sorgen in den USA: Arbeitsmarktzahlen werfen Fragen auf
- Walmart als Krisenprofiteur: Wie der Einzelhandelsriese von der Konsumflaute in den USA profitiert
- Tech-Aktien: KI-Markt zeigt erste Anzeichen von Schwäche
- Sind US-Aktien überbewertet?
- US-Wirtschaft am Limit: Schuldenexplosion und Zinsbelastungen
- Zinssenkung in den USA: Reaktion auf steigende Schulden oder langfristige Strategie?
- Edelmetalle als sicherer Hafen: Warum Silber jetzt eine attraktive Anlage sein könnte
Eine Analyse der aktuellen Marktentwicklungen
Asien, Europa, USA – alle Regionen der Welt befinden sich momentan in einem Umgestaltungsprozess. In diesem Experten-Interview diskutieren David Kunz von der BX Swiss und Marco Ludescher, Leiter Asset Management bei Dr. Blumer & Partner Vermögensverwaltung in Zürich, über die aktuellen Entwicklungen an den globalen Finanzmärkten.
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Mehr InformationenUnsicherheiten im August: Zinserhöhung in Japan löste globalen Marktausverkauf aus
Chinas Wirtschaft in der Deflation: Massive Stimulusmassnahmen zur Rettung von Immobilien- und Aktienmarkt
China befindet sich in einer Phase der Deflation. Der Immobiliensektor leidet unter einer Pleitewelle, die Exportnachfrage schwächelt, und die Bevölkerung hält sich mit Ausgaben zurück. Das angepeilte Wachstumsziel von 5 % für das Jahr 2024 erscheint in diesem Umfeld nahezu unerreichbar. Um dem entgegenzuwirken, hat die Regierung massive Stimulusmassnahmen ergriffen, um die Wirtschaft zu stützen:
- Monetäre Lockerung: Durch Senkungen der Zinssätze und des Mindestreservesatzes soll die Kreditvergabe erleichtert und das Wachstum angekurbelt werden – ein Schritt, der auch als „Japanisierung“ der Wirtschaft bezeichnet werden könnte.
- Unterstützung des Immobilienmarktes: Restriktionen beim Immobilienkauf werden gelockert, die Mindestanzahlung für Zweitwohnungen gesenkt, und die Zinsen reduziert. Damit werden Massnahmen rückgängig gemacht, die ursprünglich eingeführt wurden, um die Überhitzung des Immobilienmarktes zu bremsen.
- Förderung des Kapitalmarktes: Die Regierung stellt Kredite in Höhe von 71 Milliarden US-Dollar bereit, um Fonds und Versicherungen zu unterstützen und den Aktienmarkt zu beleben. Zusätzlich erhalten Unternehmen Kredite für Aktienrückkäufe, was die „Amerikanisierung“ des Marktes vorantreibt.
EU-Wirtschaft unter Druck: Wie fehlende Investitionen und Bürokratie den Kontinent bremsen
Die europäische Wirtschaft beginnt zu stottern und gerät gegenüber China und den USA zunehmend ins Hintertreffen. Laut Mario Draghi, dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, steht die wirtschaftliche Existenz der EU auf dem Spiel. Ohne signifikante Produktivitätssteigerungen könne Europa weder führend bei neuen Technologien werden noch seine Rolle als Vorreiter im Klimaschutz behaupten. Zudem sei das europäische Sozialmodell in Gefahr, warnt Draghi. Er fordert daher eine Kombination aus einer kohärenten Industriepolitik, schnelleren Entscheidungsprozessen und massiven Investitionen. Konkret schätzt Draghi den zusätzlichen Investitionsbedarf der EU auf 750 bis 800 Milliarden Euro jährlich.
Die 15 grössten Unternehmen Europas nach Marktkapital
Rang | Unternehmen | Marktkapital (in USD) |
---|---|---|
1 | Novo Nordisk A/S | 524 Millarden US-Dollar |
2 | LVMH | 373 Millarden US-Dollar |
3 | ASML Holding N.V. | 322 Millarden US-Dollar |
4 | SAP SE | 256 Millarden US-Dollar |
5 | Nestlé SA | 251 Millarden US-Dollar |
6 | Hermes International S.A. | 249 Millarden US-Dollar |
7 | Roche Holding AG | 245 Millarden US-Dollar |
8 | AstraZeneca PLC | 240 Millarden US-Dollar |
9 | L’Oréal | 158 Millarden US-Dollar |
10 | Novartis AG | 232 Millarden US-Dollar |
11 | Shell PLC | 231 Millarden US-Dollar |
12 | Inditex | 216 Millarden US-Dollar |
13 | HSBC Holdings PLC | 179 Millarden US-Dollar |
14 | TotalEnergies SE | 163 Millarden US-Dollar |
15 | Siemens AG | 159 Millarden US-Dollar |
Quelle: CEOWORLD Magazine
Gewinnwarnungen und Werksschliessungen: Die europäische Autoindustrie steckt in der Krise
Die Lage der europäischen Automobilindustrie spitzt sich zu. Trotz einer langen Erfolgsgeschichte und Marktführerschaft steht die Branche vor grossen Herausforderungen. Europa hat sich dazu entschlossen, seine Vorzeigeindustrie bis 2035 massiv zu verändern – mit teils gravierenden Folgen. Die Nachfrage und der Bedarf scheinen dabei eine untergeordnete Rolle zu spielen.
Jüngste Gewinnwarnungen von Branchengrössen wie Mercedes, BMW (bedingt durch Probleme mit Continental-Bremsen) und Volkswagen verdeutlichen die Schwere der Krise. Besonders Volkswagen, einst das Aushängeschild der Branche, spricht offen von drohenden Werksschliessungen und kämpft laut Unternehmenssprecher um das langfristige Überleben.
Die Krise betrifft jedoch nicht nur deutsche Hersteller. Auch Stellantis, Mutterkonzern von Marken wie Fiat, Peugeot und Opel, meldete Ende September eine Gewinnwarnung, was das Ausmass des Problems auf europäischer Ebene unterstreicht.
In einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ äusserte sich Wendelin Wiedeking, der frühere Porsche-Chef, scharf zur aktuellen Situation und kritisierte insbesondere die Politik. Die EU habe unrealistische Vorgaben gemacht, die kaum umsetzbar seien. „Man kann sich vieles wünschen, aber es muss auch machbar sein,“ so Wiedeking. Die europäischen Autohersteller werden mit hohen Strafen bedroht, sollten sie die strengen CO₂-Ziele nicht erreichen – Strafen, die sich auf bis zu 15 Milliarden Euro im nächsten Jahr belaufen könnten. Wiedeking warnte eindringlich: „Man stranguliert den wichtigsten Wirtschaftszweig Europas.“
Ein weiteres besorgniserregendes Zeichen ist die schwache Auslastung vieler Werke: Ein Drittel der europäischen Autofabriken arbeitet derzeit nur zur Hälfte ihrer Kapazität. Die Bedeutung des Automobilsektors für Europa ist enorm: Laut der Europäischen Kommission beschäftigt die Branche rund 13.8 Millionen Menschen, was 6.1 % der Gesamtbeschäftigung ausmacht, und trägt 7 % zum Bruttoinlandsprodukt bei. Wiedeking sieht in dieser Entwicklung eine ernsthafte Bedrohung für den wirtschaftlichen Wohlstand Europas.
Die deutsche Bundesregierung hat kürzlich ihre Konjunkturprognose nach unten korrigiert und rechnet für dieses Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0.2 % – das zweite Rezessionsjahr in Folge nach einem Minus von 0.3 % im Jahr 2023.
Trotz dieser düsteren Aussichten betonte Deutschlands Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, dass Deutschland weiterhin „ein Land voller Stärken“ sei. Ob diese Stärken ausreichen, um die Herausforderungen, z. B. der Automobilindustrie zu bewältigen, bleibt jedoch fraglich.
Wirtschaftliche Sorgen in den USA: Arbeitsmarktzahlen werfen Fragen auf
Während Europa mit den Unsicherheiten in der Automobilbranche ringt, sind auch jenseits des Atlantiks wirtschaftliche Entwicklungen von Bedeutung. In den USA zeigt die jüngste Zinssenkung, dass ähnliche Herausforderungen auch dort anstehen. Und es wirft Fragen auf: War dieser Schritt wirklich notwendig oder deutet er auf tiefere Probleme hin? Trotz eines Rückgangs der Inflationsrate auf 2.4 % (fallende Energiekosten trotz der Krisen im Nahen Osten halfen hier) und einer Kerninflation -ohne Nahrungsmittel und Energie – von 3.3 % ist diese deutlich über dem Ziel der Federal Reserve von 2 %. Angesichts dieser Zahlen könnte die Zinssenkung inflationäre Auswirkungen haben.
Die Löhne steigen ebenfalls, nicht zuletzt wegen der gewerkschaftlichen Kämpfe in der Industrie: Nach Streiks erhielten die Mitarbeiter von Ford eine Lohnerhöhung von 40 %, während Hafenarbeiter sogar 62 % mehr Lohn erhielten. Zurzeit befinden sich auch die Mitarbeiter von Chrysler/Stellantis im Streik um mehr Lohn. Die Unternehmen werden gezwungen sein, die erhöhten Löhne an die Verbraucher weiterzugeben. Dies könnte zusätzlichen Preisdruck erzeugen und die Inflation weiter anheizen.
Es bleibt fraglich, welche Probleme die Federal Reserve möglicherweise nicht offenbart. Ein Zinsschritt von 0.5 % wird normalerweise nur in Krisenzeiten vollzogen. Möglicherweise ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt ein entscheidender Faktor. Zwar zeigen die veröffentlichten Statistiken eine positive Entwicklung, doch wurde kürzlich die Zahl der neu geschaffenen Stellen kürzlich rückwirkend um über 800’000 nach unten korrigiert. Gleichzeitig sehen wir massive Entlassungen: Boeing streicht 17’000 Stellen, und Intel plant, mehr als 15 % seiner Belegschaft, etwa 17’500 Mitarbeiter. Die von Intel geplante neue Fabrik in Magdeburg wurde ebenfalls auf Eis gelegt, was den deutschen Steuerzahlern 10 Milliarden Euro an Subventionen für die neue Fabrik spart.
Besorgniserregend ist die Entwicklung hin zu einer Zunahme von Teilzeitjobs bei einem gleichzeitigen Abbau von Vollzeitstellen. Wenn gut bezahlte Vollzeitmitarbeiter bei Boeing oder Intel entlassen werden und dann als Teilzeitkraft für wenige Stunden pro Woche arbeiten, ist die Statistik zwar ausgeglichen, jedoch leidet die Kaufkraft der Konsumenten.
Aktuell zeigt die Statistik, dass monatlich etwa 200’000 neue Stellen geschaffen werden, doch der Abbau von Vollzeitstellen ist alarmierend: Im September wurden 1.1 Millionen Vollzeitjobs gestrichen, während nur 1.9 Millionen Teilzeitjobs entstanden. Die Folgen sind klar: Wenn immer mehr Menschen gut bezahlte Arbeitsplätze verlieren und gezwungen sind, mehrere Teilzeitjobs anzunehmen, wird die Kaufkraft der Verbraucher nachhaltig geschwächt.
Die Kluft zwischen Arm und Reich in den USA wird immer deutlicher sichtbar. Dies spiegelt sich in einem Anstieg von Zahlungsausfällen bei Krediten wider, sei es bei Immobilien, Kreditkarten oder Autokrediten, wo die Ausfälle im ersten Halbjahr 2024 um 23 % zugenommen haben.
Die Auswirkungen sehen wir in einer wachsenden Zahl von Gewinnwarnungen global bekannter Unternehmen, die berichten, dass den Konsumenten das Geld ausgeht. Dies hat zu einem Rückgang der Umsätze und Gewinne bei Unternehmen wie Ulta Beauty, Pepsi, McDonald’s, Dunkin’ Donuts, Starbucks, Disney, Nike und vielen anderen geführt. Die Lage in den USA ist also angespannt, und es ist fraglich, ob die aktuellen geldpolitischen Massnahmen die notwendigen Veränderungen bewirken können.
Walmart als Krisenprofiteur: Wie der Einzelhandelsriese von der Konsumflaute in den USA profitiert
Die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen zeigen erstaunliche Auswirkungen, die nicht immer sofort erkennbar sind. Während Billig-Discounter wie Dollar General und Dollar Tree unter der Konsumflaute leiden, zieht Walmart in dieser Krisenzeit Vorteile aus der Situation.
Gerade einkommensschwache Verbraucher sind besonders stark von den steigenden Zinsen und der Inflation betroffen, was dazu führt, dass sie ihre Ausgaben selbst in Discountgeschäften zurückhalten. Walmart hat es meisterhaft verstanden, einkommensschwache Konsumenten an sich zu binden und gleichzeitig einkommensstärkere Kunden zu gewinnen, die auf der Suche nach einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis den hochpreisigen Detailhändler den Rücken kehren (müssen). Denn auch den Besserverdienenden fällt es schwerer, ihren höheren Lebensstandard (Sportwagen als Zweitwagen, Ferienwohnung in Florida, Yacht auf dem See etc.) zu halten und müssen dementsprechend Abstriche machen.
Die Kursentwicklung der Walmart-Aktie spiegelt diese Dynamik wider und erinnert an die boomenden KI-Aktien. Mit einem Anstieg von über 50 % im bisherigen Jahresverlauf hat Walmart sogar einige der heissesten KI-Aktien übertroffen. Ein möglicher Grund dafür könnte die frühzeitige Integration von Künstlicher Intelligenz in ihre Geschäftsprozesse sein. Im jüngsten Geschäftsbericht (Q2 2024) erwähnte Walmart, dass sie KI für die Erstellung ihrer Werbematerialien eingesetzt haben, was zu einer signifikanten Reduzierung des Personalbedarfs in diesem Bereich führte.
Die Kursentwicklung der Walmart-Aktie erinnert an KI-Aktien!
Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (P/E Ratio) von über 40 wird die Walmart-Aktie ähnlich bewertet wie viele KI-Aktien. Seit der Mitte des Jahres zeigt sich jedoch eine Tendenz zu Gewinnmitnahmen bei stark gehypten Technologieaktien, die teilweise sehr hoch bewertet sind, wie bei den sogenannten Magnificent 7: Apple, Microsoft, Amazon, Meta Platforms, Nvidia und Tesla. Der Markt favorisiert zunehmend „sichere“ und bewährte Geschäftsmodelle, was sich auch bei McDonald’s zeigt, dessen Aktien trotz einer Gewinnwarnung infolge der Konsumzurückhaltung der Kunden neue Höchststände erreichten.
Ob Walmart, McDonald‘s und ähnliche Unternehmen als „sichere Häfen“ in dieser unsicheren wirtschaftlichen Lage gelten können, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.
Tech-Aktien: KI-Markt zeigt erste Anzeichen von Schwäche
Laut dem Chart von Wolfstreet.com zeigen die KI-Aktien seit der Jahresmitte erste Schwächen. Trotz der hohen Erwartungen an die Technologie bleibt die tatsächliche monetäre Anwendung von Künstlicher Intelligenz bislang weit hinter den Prognosen zurück. OpenAI, der Entwickler von ChatGPT, schätzt, dass das Unternehmen von 2023 bis 2028 Verluste in Höhe von 44 Milliarden US-Dollar erleiden könnte, wobei bereits in diesem Jahr 5 Milliarden Dollar anfallen sollen.
OpenAI, Inc. ist seit seiner Gründung im Jahr 2015 auf die Erforschung von Künstlicher Intelligenz spezialisiert. Während einige Unternehmen in der KI-Branche auf rosige Zukunftsaussichten hoffen, gibt es auch düstere Nachrichten. Ein prominentes Beispiel ist der Computerhersteller Dell. Im August kündigte das Unternehmen die Entlassung von 12’000 Mitarbeitern an, was etwa 10 % der gesamten Belegschaft entspricht. Dies folgt auf die bereits erfolgten Entlassungen von 25’000 Mitarbeitern im Vorjahr. Dell-Chef Michael Dell scheint ebenfalls skeptisch zu sein und verkaufte in diesem Jahr Unternehmensanteile im Wert von über 1 Milliarde US-Dollar.
Diese Situation ist symptomatisch für einen breiteren Trend in der Tech-Branche. Wie in einem vorherigen Interview erwähnt, beobachten wir derzeit eine Welle von Insiderverkäufen. Das Management und Unternehmensbesitzer verkaufen häufig ihre Aktien, was ein Zeichen für zu hohe bzw. teure Aktienkurse sein könnte. Besonders auffällig wird es, wenn Führungskräfte von Unternehmen wie Nvidia in grossem Stil Aktien ihres eigenen Unternehmens abstossen, während das Unternehmen gleichzeitig eigene Aktien zurückkauft. Solche Aktionen werfen Fragen über das Vertrauen der Unternehmensführung in die zukünftige Entwicklung auf und könnten Anlegerinnen und Anleger alarmieren.
Insgesamt deutet sich an, dass die anfängliche Euphorie rund um KI-Aktien abklingt und es an der Zeit ist, die Entwicklungen in diesem Bereich genau zu beobachten.
Sind US-Aktien überbewertet?
Aktuell müssen US-Aktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (P/E Ratio) von nahezu 30 als teuer bewertet eingestuft werden. Ein besonders auffälliges Beispiel ist die Walmart-Aktie, die ein P/E Ratio von über 40 aufweist. Dies bedeutet, dass Anlegerinnen und Anleger das 40-fache des jährlichen Gewinns für eine Aktie zahlen müssen. Zum Vergleich: Im Bereich der US-Dollar-Festzinsanlagen wird derzeit lediglich das 20-fache des jährlichen Ertrags gezahlt, und das ohne Risiko! Solche hohen Bewertungen sind in der Regel nur durch ein aussergewöhnlich starkes zukünftiges Gewinnwachstum zu rechtfertigen, wie es oft bei Technologieunternehmen vermutet wird. Walmart hingegen ist der weltweit grösste Einzelhändler und fungiert eher als Zwischenhändler. Die Frage bleibt: Woher sollen die nötigen Gewinnsteigerungen kommen? Zur Einordnung: Ein P/E Ratio von 10 gilt als günstig, 15 als fair bewertet und alles über 20 als eher teuer.
Einen Hinweis liefert hier der sogenannte Buffet-Indikator, ein von Warren Buffett populär gemachter Massstab, der das Gesamtmarkt-Kapitalisierungsverhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines Landes misst. Er wird verwendet, um die Bewertung des Aktienmarktes zu beurteilen und zu analysieren, ob dieser überbewertet oder unterbewertet ist. Aktuell steht dieser Indikator auf einem Rekordhoch von 197 %. Warren Buffett, der als einer der erfolgreichsten Investoren gilt, hat in letzter Zeit grosse Aktienpositionen verkauft und hält einen hohen Bargeldbestand. Er hat wiederholt gewarnt, dass die Märkte das Potenzial für scharfe Marktkorrekturen aufweisen, wenn ein Niveau nahe 200 % erreicht wird.
Besonders aufschlussreich ist, welche Aktien Buffett verkauft hat: Grosse Pakete an Apple und Bank of America. Dies betrifft sowohl Technologie- als auch Bankaktien – beides Themen, die wir in vorherigen Interviews als potenziell überbewertet bzw. risikobehaftet betrachtet haben.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Anlegerinnen und Anleger ihre gesamten US-Aktien verkaufen sollten. Es ist lediglich ratsam, auf mögliche Rückschläge vorbereitet zu sein und die aktuellen Marktbedingungen kritisch zu betrachten.
US-Wirtschaft am Limit: Schuldenexplosion und Zinsbelastungen
Trotz der offiziellen Darstellung von Politkern und der Notenbank, dass die US-Wirtschaft stark ist und ein Wachstum von 3 % verzeichnet, stehen alarmierende Fakten im Raum. Das Staatsdefizit beläuft sich auf rekordhohe 8 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – ein Niveau, das seit den Krisen der WW2 (2. Weltkrieg), der COVID-19-Pandemie und der Global Financial Crisis (GFC) nicht mehr gesehen wurde. Zum Vergleich: In der Europäischen Union beträgt das Defizit 3.3 % und in Deutschland liegt es bei 0.9 %.
Dies bedeutet, dass die US-Wirtschaft in ihrer aktuellen Form stark schuldengetrieben ist. Wären die Defizite nicht so ausgeprägt und würde ein ausgeglichenes Staatsbudget angestrebt, würde das BIP wahrscheinlich drastisch einbrechen. Der Chart verdeutlicht diese Abhängigkeit von immer neuen Schulden.
Im August 2024 meldete die US-Regierung Steuereinnahmen von 307 Milliarden Dollar, während die Ausgaben bei 688 Milliarden Dollar lagen – ein Defizit von 381 Milliarden Dollar. Diese negative Differenz zeigte sich auch in den Monaten zuvor: Im Juli belief sich das Defizit auf 244 Milliarden Dollar, im Juni auf 660 Milliarden Dollar und im Mai auf 347 Milliarden Dollar.
Das am 30. September 2024 endende Fiskaljahr bringt weitere besorgniserregende Zahlen ans Licht. Die US-Staatsverschuldung betrug zu diesem Zeitpunkt 35.46 Billionen Dollar, was 122 % des nominalen BIP entspricht. Innerhalb eines Jahres stieg die Neuverschuldung um beeindruckende 2.297 Billionen Dollar, was 7.92 % des nominalen BIP entspricht. Zum Vergleich: Die gesamte Staatsverschuldung Deutschlands lag Ende des zweiten Quartals 2024 bei 2.46 Billionen Euro (mit einem Wechselkurs von etwa 1.103).
Bereits am ersten Tag des neuen Fiskaljahres nahm die Neuverschuldung um 204 Milliarden Dollar zu, wodurch die öffentliche Verschuldung auf 35.66 Billionen Dollar anstieg. Im Jahr 2020 lag die US-Staatsverschuldung noch bei knapp 23 Billionen Dollar, was bedeutet, dass der Schuldenstand in weniger als fünf Jahren um über 50 % gestiegen ist.
Die Verschuldung betrifft jedoch nicht nur den Staat. Auch Unternehmen ausserhalb des Finanzsektors haben in den letzten fünf Jahren 22 Billionen Dollar neue Schulden aufgenommen, was einen Anstieg der Unternehmensschulden um 63 % auf über 55 Billionen Dollar bedeutet.
Bereits jetzt fliessen etwa 5 % der Wirtschaftsleistung der USA in Zinszahlungen, die sich auf rund 1.2 Billionen Dollar belaufen. Sogar wenn die US-Notenbank die Zinsen um 1 % senkt und diese dann konstant hält, wird die jährliche Zinsbelastung für die Staatsverschuldung bis 2026 auf 2 Billionen Dollar steigen. Denn auslaufende Schulden mit niedrigen Zinsen müssen immer mehr in Schulden mit höheren Zinsen umgewandelt werden. Diese Entwicklungen werfen ernste Fragen zur langfristigen Stabilität und Nachhaltigkeit der US-Wirtschaft auf.
Zinssenkung in den USA: Reaktion auf steigende Schulden oder langfristige Strategie?
Die globale Verschuldung wächst rasant, und niedrige Zinsen tragen wesentlich zu diesem Trend bei. Langfristig lässt sich eine Schuldenkrise jedoch nur abwenden, wenn die Politik den Mut zur Kurskorrektur hat. Traditionell geschieht dies durch Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen – doch davon ist derzeit nichts zu erkennen. Stattdessen setzen viele hochverschuldete Länder auf teure Ausgabenprogramme oder Steuererleichterungen, was die Schulden weiter in die Höhe treibt und die Zinsbelastung massiv erhöht.
Eine expansive Fiskalpolitik bedingt eine restriktive Geldpolitik, um eine Währung stabil zu halten (aktuelles Beispiel USA). Ist ein Land oder Währungsraum gezwungen, zur Finanzierung der Schulden die Zinsen zu senken, droht ein Abwertung der Währung. Genau dieses Szenario sehen wir in Japan. Im Chart ist zu erkennen, wie sich der japanische Yen in den letzten 5 Jahren um 33% gegenüber dem US- Dollar abgewertet hat. Es gilt also: „Wer die Geldwertstabilität aufgibt, um die Finanzstabilität zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“
In diesem Umfeld suchen Anlegerinnen und Anleger nach Möglichkeiten, sich gegen Währungsabwertungen abzusichern. Das könnte einer der Gründe sein, warum unser im letzten Interview empfohlener Tipp – Gold – eine so starke Performance gezeigt hat. Aber auch ein weiteres Edelmetall kann für Anlegerinnen und Anleger als sicherer Hafen interessant sein.
Edelmetalle als sicherer Hafen: Warum Silber jetzt eine attraktive Anlage sein könnte
Die kommenden Monate dürften weiterhin von hoher Volatilität geprägt sein, nicht zuletzt wegen geopolitischer Risiken. In solch unsicheren Zeiten kann es sinnvoll sein, bei Aktien Gewinne mitzunehmen und eine defensivere Anlagestrategie zu verfolgen. Trotz einiger Anzeichen für eine mögliche Marktrallye – etwa durch die Hoffnung, eine Rezession könnte abgewendet werden – bergen die damit verbundenen Massnahmen auch Risiken. Zinssenkungen und Stimulusprogramme von Notenbanken und Regierungen könnten die Rohstoffpreise erneut in die Höhe treiben und damit den Inflationsdruck verstärken. Das bedrohliche Szenario einer Stagflation, also steigende Preise bei stagnierendem Wachstum und hoher Arbeitslosigkeit, rückt näher.
Erinnerungen an die 1970er-Jahre werden wach, als Stagflation die Märkte erschütterte. Damals erwiesen sich Öl, Gold und Silber als sichere Häfen, die eine starke Wertsteigerung erfuhren. In der heutigen Marktlage könnte Silber erneut von einer solchen Entwicklung profitieren.
Angesichts der aktuellen Marktdynamik sind Rohstoffe, insbesondere Edelmetalle, nach wie vor eine interessante Anlagemöglichkeit. Im Vergleich zu Gold ist Silber noch weit unter seinem bisherigen Höchststand von 50 US-Dollar. Die Tatsache, dass die weltweite Silberproduktion ein Defizit aufweist, d.h. mehr Silber verbraucht als neu gefördert wird, bietet zusätzliche Chancen. Durch die Förderung von Solarenergie und Elektromobilität könnte sich dieser Trend in Zukunft noch verstärken. Es könnte sich also lohnen, Silber jetzt verstärkt als Anlagemöglichkeit in Betracht zu ziehen.
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Am 03.03.2022 sprach David Kunz von der BX Swiss mit Marco Ludescher, Leiter Asset Management bei Dr. Blumer & Partner Vermögensverwaltung in Zürich, über Inflation, Zinsen und deren Auswirkungen auf die globale Wirtschaft.