Erinnerst du dich an das Jahr 2021? Die Finanzwelt schien plötzlich ihr Gewissen entdeckt zu haben und nachhaltige Geldanlagen galt als der neue Goldstandard an den Finanzmärkten. ESG-Investments (Environmental, Social, Governance) waren in aller Munde – Anlegerinnen und Anleger wollten nicht nur Rendite, sondern auch Verantwortung. Unternehmen überboten sich mit grünen Versprechen, Fondsgesellschaften schufen ESG-Produkte im Wochenrhythmus, und Medien riefen das nachhaltige Investieren zum Megatrend aus.
Doch heute, nur wenige Jahre später, ist von dieser Euphorie wenig übrig. ESG scheint aus dem Rampenlicht verschwunden zu sein. Doch das bedeutet nicht, dass Nachhaltigkeit beim Investieren an Bedeutung verloren hätte – im Gegenteil.
- Warum ESG-Investments an Bedeutung verlieren – und was das für nachhaltige Geldanlagen bedeutet
- ESG unter Druck: Ursachen für das sinkende Interesse an nachhaltigen Geldanlagen
- Warum nachhaltige Geldanlagen trotz ESG-Kritik entscheidend bleiben
- Nachhaltig investieren: Tipps für Anlegerinnen und Anleger in der ESG-Umbruchphase
- Nachhaltige Geldanlage bleibt langfristig relevant – trotz ESG-Kritik
Warum ESG-Investments an Bedeutung verlieren – und was das für nachhaltige Geldanlagen bedeutet
Der einstige Boom rund um ESG-Investments hat spürbar an Dynamik verloren – nicht nur in den USA, sondern zunehmend auch in Europa und Asien. Die neuesten Daten von Morningstar zeichnen ein klares Bild: Im ersten Quartal 2025 zogen Investoren weltweit insgesamt 8.6 Milliarden US-Dollar aus ESG-Fonds ab – ein historischer Negativrekord. Besonders alarmierend: Erstmals seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2018 verzeichneten auch europäische Anlegerinnen und Anleger Nettoabflüsse in Höhe von 1.2 Milliarden US-Dollar. Das ist bemerkenswert, galt Europa bislang doch als globales Zentrum nachhaltiger Geldanlagen, mit einem Anteil von 84 % am weltweiten ESG-Fondsvermögen.

Vierteljährliche globale „nachhaltige“ Fondsströme (in Mrd. $); Quelle: Morningstar Direct
Diese Entwicklung ist kein isoliertes Phänomen, sondern Ausdruck einer breiteren Gegenbewegung. In den USA wird ESG-Investing zunehmend als „woke capitalism“ kritisiert – insbesondere von konservativen politischen Kräften, die ESG-Strategien unterstellen, gesellschaftspolitische Agenden über wirtschaftliche Interessen zu stellen. Diese Skepsis greift nun offenbar auch auf Europa über, wo Debatten über ESG-Ausschlusskriterien – etwa gegenüber Rüstungsunternehmen im Kontext geopolitischer Spannungen – an Schärfe gewinnen.
Die Konsequenzen zeigen sich deutlich in der Praxis: Die ESG-Rhetorik vieler Fondsanbieter wird leiser. Laut Morningstar wurden allein in Europa im ersten Quartal 2025 ganze 335 Fonds umbenannt, darunter 116, die ESG-Begriffe vollständig aus dem Namen strichen. Weitere 94 Fonds wurden aufgelöst oder mit konventionellen Produkten verschmolzen – eine Reaktion auf drohende Greenwashing-Regulierung durch die EU, aber auch ein deutliches Zeichen für einen strategischen Kurswechsel der Branche.
Auch die Performance nachhaltiger Indizes und ESG-Fonds lässt zunehmend zu wünschen übrig. Während klassische Benchmarks wie der MSCI World oder der S&P 500 solide zulegten, hinken ESG-Pendants wie der MSCI ESG Leaders oder der S&P 500 ESG spürbar hinterher. Damit verliert ESG für viele Anlegerinnen und Anleger an Attraktivität – sowohl in der Praxis als auch in der Wahrnehmung.
Dieser Stimmungsumschwung schlägt sich auch im öffentlichen Diskurs nieder: Die mediale Berichterstattung über ESG ist rückläufig und kritischer geworden. Google Trends verzeichnet seit 2022 in Europa einen Rückgang der Suchanfragen nach „ESG“ um über 40 %. Besonders auffällig: Junge Anlegerinnen und Anleger, einst eine tragende Säule des ESG-Booms, wenden sich ab.
All das deutet auf eine tiefgreifende Trendwende hin. ESG befindet sich nicht mehr nur in einer Wachstumsdelle, sondern in einer Phase strategischer Neuorientierung – getrieben von politischem Gegenwind, geopolitischen Umbrüchen und wachsender Skepsis gegenüber der Wirksamkeit nachhaltiger Anlagekonzepte.
ESG unter Druck: Ursachen für das sinkende Interesse an nachhaltigen Geldanlagen
Nach Jahren des Booms steht ESG also zunehmend unter Druck. Die Ursachen sind vielschichtig und reichen von geopolitischen Spannungen über wirtschaftliche Realitäten bis hin zu wachsender Skepsis auf politischer und gesellschaftlicher Ebene.
Warum nachhaltige Geldanlagen trotz ESG-Kritik entscheidend bleiben
Der wachsende Zweifel an ESG-Kriterien ist nachvollziehbar – doch ein Rückzug aus nachhaltiger Verantwortung wäre nicht nur kurzsichtig, sondern gefährlich. Denn die Herausforderungen, die ESG adressiert, sind keine theoretischen Zukunftsprobleme – sie betreffen Unternehmen und Volkswirtschaften schon heute spürbar.
Klimabedingte Risiken wie Extremwetter, steigende CO₂-Kosten oder strengere Umweltauflagen belasten bereits jetzt Bilanzen, Lieferketten und Geschäftsmodelle. Ressourcenknappheit führt zu Preisvolatilität und erhöht die Störanfälligkeit globaler Handelswege. Gleichzeitig destabilisieren soziale Ungleichheit, fehlende Arbeitsrechte und politische Instabilität ganze Märkte. Auch unternehmensinterne Risiken wie Korruption, mangelnde Transparenz oder Führungsversagen lassen sich oft auf unzureichende Governance zurückführen.
Wer ESG-Kriterien ignoriert, blendet diese realen Gefahren aus – und handelt damit wirtschaftlich fahrlässig. Nachhaltigkeit beim Investieren ist längst kein moralisches Bonusprogramm mehr, sondern ein betriebswirtschaftliches Risikomanagement-Instrument. Unternehmen, die frühzeitig in faire Lieferketten, Energieeffizienz oder nachhaltige Technologien investieren, gewinnen nicht nur an Innovationskraft, sondern auch an Resilienz gegenüber Krisen.
Der Rückzug aus ESG bedeutet daher nicht Risikovermeidung, sondern Risikoblindheit. Nachhaltigkeit bleibt – gerade in Zeiten ökonomischer Unsicherheit – ein entscheidender Wettbewerbsfaktor.
Nachhaltig investieren: Tipps für Anlegerinnen und Anleger in der ESG-Umbruchphase
ESG-Investments haben in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten – nicht zuletzt durch griffige Marketingbegriffe und plakative Nachhaltigkeitsversprechen. Doch inzwischen ist der Hype abgeflaut, während die zugrunde liegenden Herausforderungen dringlicher denn je sind. Umso wichtiger ist es jetzt, ESG neu zu denken: Weg vom Etikettendenken, hin zu fundierter Analyse und klaren Massstäben.
Tipp 1: Qualität statt Schlagwort-Gläubigkeit
Nicht jedes grüne Label hält, was es verspricht. Anlegerinnen und Anleger sollten ESG-Siegel und Fondsstrategien kritisch hinterfragen: Welche Daten liegen zugrunde? Welche Methodik kommt zur Anwendung? Gibt es nachvollziehbare Kriterien, konkrete Ziele und transparente Wirkungsberichte? Entscheidend ist nicht das Label, sondern die Substanz dahinter. Greenwashing lässt sich vermeiden – wenn man genauer hinschaut und unangenehme Fragen stellt.
Tipp 2: ESG als Werkzeug – nicht als Weltanschauung
Nachhaltig zu investieren ist kein moralischer Selbstzweck, sondern Teil moderner Risikoanalyse. ESG-Kriterien ersetzen keine Fundamentalanalyse, sondern ergänzen sie. Wer sie klug einsetzt, erkennt strukturelle Risiken früher – etwa durch neue Regulierungen, Lieferkettenprobleme oder sich wandelnde gesellschaftliche Erwartungen. Gleichzeitig eröffnen sich Chancen für langfristig tragfähige Geschäftsmodelle. ESG ist damit kein Wundermittel, aber ein hilfreiches Instrument – sowohl aus ethischer als auch aus finanzieller Perspektive.
Tipp 3: Orientierung durch glaubwürdige Initiativen
In der Praxis braucht es jedoch mehr als gute Absichten: Es braucht seriöse, datenbasierte Orientierungshilfen. Ein Beispiel dafür ist die Swisox Green Light List. Das Schweizer Projekt kennzeichnet börsennotierte Unternehmen an der BX Swiss, die klar definierte ESG-Standards erfüllen – auf Basis objektiver, systematisch erfasster Daten. Kein Marketing, keine Selbstauskunft, sondern nachvollziehbare Kriterien und Transparenz. Solche Ansätze helfen Investorinnen und Investoren, fundierte Entscheidungen zu treffen – jenseits von Hype, Symbolpolitik und Etikettenglauben.
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Mehr InformationenInterview zur Swisox Green Light List
Im Interview sprechen Lucas Bruggeman, CEO der BX Swiss, und Dawid Bastiat-Jarosz, Gründer von Swisox, über die Hintergründe der Swisox Green Light List – einer gemeinsamen Initiative für mehr Transparenz und Wirkung im nachhaltigen Investieren.
Swisox Green Light List: Ein neuer Standard für nachhaltige Investments
Mit nachhaltigen Unternehmen die Zukunft gestalten: Die Swisox Green Light List zeigt auf, welche Unternehmen echte Lösungen für globale Herausforderungen bieten – und schafft so eine fundierte Grundlage für nachhaltige Kapitalentscheidungen, frei von Greenwashing.
Nachhaltige Geldanlage bleibt langfristig relevant – trotz ESG-Kritik
Gerade weil ESG als Schlagwort an Glanz verliert, braucht es jetzt einen reiferen Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit. Die berechtigte Kritik an vielen ESG-Produkten – sie waren zu unklar, zu ambitioniert oder ideologisch aufgeladen – hat zu einer Welle der Skepsis geführt. Doch der derzeitige Gegenwind darf nicht zur Kurzsichtigkeit verleiten.
Denn wer sich nun vollständig von nachhaltigen Geldanlagen abwendet, riskiert, langfristige Risiken zu ignorieren und wertvolle Chancen zu verpassen. ESG ist kein vorübergehender Hype – es ist ein strategisches Thema mit wachsender Bedeutung. Die Anforderungen von Regulierung, Gesellschaft und Umwelt nehmen zu, nicht trotz, sondern gerade wegen globaler Unsicherheiten. Gefragt sind Anlegerinnen und Anleger, die Verantwortung übernehmen – nicht nur für ihr Depot, sondern auch für die Welt, in der sie investieren.
Unser Tipp: Reflektiere dein Anlageverhalten. Hinterfrage ESG-Ratings, verlasse dich nicht auf Logos, sondern auf Logik. Prüfe dein Portfolio kritisch und setze auf glaubwürdige, transparente Informationen. Nachhaltigkeit ist kein Dogma, sondern eine strategische Perspektive – und sie erfordert Geduld und einen langen Atem. Denn wer heute nachhaltig investiert, investiert in eine lebenswerte Zukunft.