Ein Jahreswechsel wird häufig genutzt, um eine Bilanz der vergangenen zwölf Monate zu ziehen und zugleich einen Jahresausblick – inklusive guter Vorsätze für das neue Jahr – zu wagen. Dies macht auch bei der Geldanlage angesichts der gegenwärtigen Nachrichtenlage mehr denn je Sinn.

Das Jahr 2022 war von erheblichen Verlusten an den Aktien- und Anleihemärkten gekennzeichnet, was in erster Linie auf die massiven Leitzinserhöhungen der US-Notenbank Fed um insgesamt 425 Basispunkte zurückzuführen war. Zur Erinnerung: Steigende Zinsen gehen stets mit rückläufigen Anleihepreisen einher, was in diesem Jahr vor allem die Besitzer langlaufender Obligationen zu spüren bekamen. Hier ein besonders krasses Beispiel: Die bis ins Jahr 2117 laufende Österreich-Anleihe hat sich in diesem Jahr fast halbiert.

In der Regel generieren stark steigende Zinsen auch an den Aktienmärkten einen erheblichen Verkaufsdruck. Zum einen, weil Anleihen (gegenüber Aktien) durch den Renditeanstieg an Wettbewerbsfähigkeit zumindest leicht gewinnen. Zum anderen steigen zinsbedingt die Finanzierungskosten der Unternehmen, was insbesondere die Geschäftsperspektiven von Gesellschaften mit hohem Fremdkapitalanteil stark belastet. Die in der Finanzwelt häufig empfohlene Portfolioaufteilung von 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen bereitete ihren Anwendern 2022 vor allem eines: hohe Verluste. Aus Gründen der Diversifikation drängt sich das Berücksichtigen weiterer Anlageklassen wie zum Beispiel Immobilien, Edelmetalle, Rohstoffe und für ganz Mutige unter Umständen sogar Kryptowährungen in homöopathischen Dosen geradezu auf.

Laut einer von der auf die Finanzmärkte spezialisierten Nachrichtenagentur Bloomberg durchgeführten Analystenumfrage soll sich das globale Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr von 2,9 Prozent auf 1,8 Prozent p.a. signifikant abschwächen.

Für die Eurozone (-0,1 Prozent p.a.) und Großbritannien (-0,5 Prozent p.a.) wird sogar eine milde Rezession prognostiziert, während für Russland aufgrund der Sanktionen westlicher Industriestaaten ein kräftiger jährlicher Rückgang um 3,2 Prozent erwartet wird. Ein Jahr später sollen dann diese Volkswirtschaften aber wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren und durchweg positive Vorzeichen aufweisen. Deutlich besser sehen die Perspektiven für die Schweizer Wirtschaft aus. So erwartet zum Beispiel die Regierung in Bern im kommenden Jahr ein Wachstum der Wirtschaftsleistung in Höhe von 1,0 Prozent, welches sich 2024 sogar auf 1,6 Prozent beschleunigen soll. Zugleich soll sich die jährliche Inflation auf 2,2 Prozent (2023) bzw. 1,5 Prozent (2024) verlangsamen.

Jahresrückblick 2022 mit Robert Halver

Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG

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Angesichts der zahlreichen Krisenherde unterschiedlichster Art (Ukraine, Taiwan, Lieferketten, Schuldenberge, Inflation, Zinsanstieg usw.) muss man kein Prophet sein, um sämtlichen Prognosen ein hohes Mass an Unsicherheit zu attestieren. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Überraschungen – positiver wie negativer Art – alles andere als selten eintreffen. Deshalb sollten sich Privatanleger bei der strategischen Neuausrichtung für das nächste Jahr sowohl Gedanken über das Eintreten eines positiven Marktszenarios machen, zugleich jedoch auch eine potenziell mögliche Negativentwicklung nicht unberücksichtigt lassen.

So könnte ein „bullishes“ Szenario zum Beispiel folgendermassen aussehen: Die US-Notenbank agiert weniger restriktiv, die Inflation sinkt, die Konsumlaune zeigt sich lediglich etwas schwächer, Unternehmen verbessern ihre Rentabilität, Chinas Wirtschaft erholt sich und das angeschlagene Marktsentiment spricht dafür, dass schlechte Nachrichten bereits weitgehend eingepreist sind. Auf der anderen Seite könnte ein „bearishes“ Szenario so aussehen: Die US-Notenbank erhöht die Zinsen, keine Entwarnung an der „Inflationsfront“, es kommt zu einer Rezession in wichtigen Volkswirtschaften, der Ukraine-Krieg geht weiter Unternehmensgewinne sinken, Marktsentiment verschlechtert sich und es kommt zu weiteren Hiobsbotschaften. In Abhängigkeit von der konkreten Erwartungshaltung des Anlegers, sollten innerhalb eines Gesamtportfolios daher die Anlageklassen bzw. die Höhe der Cash-Reserven unterschiedlich stark gewichtet werden.

Jahresausblick 2023 mit Robert Halver

Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG

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Sollte man die Rohstoffquote erhöhen?

Für PrivatanlegerInnen, die ihr angespartes Vermögen wirksam vor Inflation schützen möchten, bieten sich in der gegenwärtigen Marktphase negativer Realzinsen (Inflation höher als Zins) Investitionen in Sachwerte wie Aktien, monetäre Edelmetalle wie Gold & Silber sowie Rohstoffe zweifellos an. Sie alle sind jedoch mit einem mehr oder weniger stark ausgeprägten Kurs- bzw. Verlust- und Volatilitätsrisiko verbunden, schliesslich lässt sich in diesen Anlageklassen inflationäre Geldentwertung nur über Dividenden und/oder Kursgewinne ausgleichen. Da Rohstoffinvestments – mit Ausnahme von Rohstoffaktien – in den meisten Depots eher ein Schattendasein fristen, sollten sich Anleger über die Besonderheiten der Anlageklasse „Rohstoffe“ stets im Klaren sein. Während nämlich Edelmetalle wie Gold, Silber, Platin und Palladium in Form von Barren und Münzen physisch problemlos handelbar sind, trifft dies auf Rohstoffe aus den Bereichen Energie, Landwirtschaft oder Industriemetalle nicht zu. Hier erfolgt ein Investment meist über die Terminmärkte in Form von Futures.

Was für ein gutes Börsenjahr spricht

Damit 2023 als guter Börsenjahrgang in die Annalen eingeht, sollte folgendes passieren: Die internationalen „Zinserhöhungsorgien“ sollten möglichst bald enden und die Inflation möglichst deutlich sinken. In diesem Fall dürften sowohl Anleihen als auch Aktien einen positiven Performancebeitrag leisten. Anlass zu Optimismus scheint aber auch dadurch gerechtfertigt zu sein, dass auf ein schlechtes Börsenjahr häufig ein gutes folgt. Sollten keine neuen Katastrophen die Gemütslage der Börsianer strapazieren, dürften die „bad news“ in den aktuellen Aktienkursen bereits gebührend berücksichtigt sein. Und da an den Börsen weniger die Vergangenheit, sondern in erster Linie die Zukunft gehandelt wird, bestünde somit durchaus Aufwärtspotenzial. In diesem Fall könnte es dann im Energiesektor zu Gewinnmitnahmen kommen, während Banken und Versicherungen möglicherweise von der Entspannung im Finanzsektor profitieren.

Die „richtige“ Zusammensetzung eines Vermögensportfolios hängt in erster Linie vom Anlageziel und der Risikobereitschaft des jeweiligen Anlegers ab.

Die „richtige“ Zusammensetzung eines Vermögensportfolios (Asset-Allocation) hängt in erster Linie vom Anlageziel des jeweiligen Anlegers sowie dessen Risikobereitschaft bzw. Risikofähigkeit ab. Letztere stellt die Fähigkeit dar, die Wertschwankungen und potenziellen Verluste der jeweiligen Geldanlagen zu verkraften, ohne dadurch in finanzielle Not zu geraten. Aus diesen Gründen verbieten sich pauschale Vorschläge zum „richtigen“ Portfolio-Mix geradezu. Allein auf einen Portfoliomix aus Aktien und Anleihen zu setzen, macht heutzutage allerdings wenig Sinn, da sie in diesem Jahr im Gleichschritt bergab und in den Jahren davor meist im Gleichschritt nach oben marschiert sind.

Immobilien und Gold haben sich dank ihres Sachwertcharakters und ihrer stabilisierenden Funktion in den vergangenen Jahren einen festen Platz in den meisten Portfolios verdient. Die US-Investmentbank Goldman Sachs, die über eine starke Expertise im Rohstoffbereich, hat in ihrem kürzlich veröffentlichten „Commodity Outlook 2023“ Rohstoffe auf kurze Sicht zwar als „unvorhersehbar“ bezeichnet, auf lange Sicht attestieren ihnen die „Goldmänner“ aber weiterhin einen „Superzyklus“, also einen langfristigen Aufwärtstrend. Unter diesem Aspekt scheint somit auch die Anlageklasse „Rohstoffe“ einen Platz im Portfolio zu verdient zu haben.

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