Auch wenn Kursdellen im neuen Jahr drohen, es könnte ein ganz „normales“ Aktienjahr werden. BX Swiss TV wagt einen Ausblick auf 2022. Ein Ausblick auf das neue Jahr – das hat Tradition, auch an der Börse. Und auch wenn Ausblicke naturgemäss mit einem hohen Unsicherheitsfaktor versehen sind, machen sie dennoch Sinn, denn sie helfen, einen groben Fahrplan für die Investitionen im neuen Jahr zu entwerfen.

Was vorab festzuhalten bleibt, mit Corona haben wir eine Dimension in den Markt bekommen, die neben Wirtschaftswachstum, Inflation und Zinsen eine völlig neue Einflussgrösse auf die Kursentwicklung darstellt. Sicher, auch an Corona werden sich die Marktteilnehmer gewöhnen, dies ist ja auch schon zu einem guten Teil geschehen, aber Corona ist dann doch noch mehr als nur ein Faktor unter vielen. Immerhin schafft es der Virus, ganze Volkswirtschaften zum Erliegen zu bringen, den Welthandel in die Knie zu zwingen. Das ist neu und zeigt, Corona ist auch so eine Art Wirtschaftsvirus, der, wenn er sich ausbreitet, die Märkte mehr beeinflussen kann als das etwa die meisten politischen Entscheidungen können. Das Motto „Politische Börsen haben kurze Beine“ lässt sich eben nicht auf den Corona-Virus übertragen, so gerne wir das auch hätten.

Doch wie schaut es nun für das neue Jahr konkret aus? Im Grunde gut, so wohl die zusammenfassenden Antworten der meisten Experten. Im Schnitt rechnet man mit moderat steigenden Wachstumsraten für Wirtschaft und Börse. Für die Schweiz sieht etwa die St. Galler Kantonalbank im neuen Jahr ein Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2,8 Prozent, nach 3,5 Prozent im alten Jahr. Und auch wenn die Experten kurzfristige Rücksetzer am Aktienmarkt nicht ausschliessen möchten, unter dem Strich könnte 2022 ein vergleichsweise „normales“ Aktienjahr werden, so ihre Einschätzung – man rechnet mit einem durchschnittlichen Plus am Aktienmarkt von fünf bis sechs Prozent, plus Dividende.

Übertragen auf den SMI können sich die Banker einen Schlusstand Ende 2022 von um die 13.000 Punkten vorstellen.

Ähnlich positiv auch die Einschätzung für den deutschen Markt. In einer jüngsten Umfrage unter den grossen deutschen Finanzinstituten durchgeführt vom Bundesverband öffentlicher Banken (VÖB) prognostizieren die Marktstrategen einen DAX -Stand für Ende 2022 zwischen 15.700 und 17.000 Punkten. Allerdings warnen die befragen Experten auch beim DAX vor zwischenzeitlichen Korrekturen. Ein Einbruch um einige hundert Punkte mit anschliessender Erholung, so in etwa könnte man ihre Erwartungen zusammenfassen.

Wie es mit der Inflation und den Zinsen weitergeht

Dass aus einem zwischenzeitlichen Rückgang nicht mehr wird, gar eine Baisse droht, dafür ist allerdings eine wichtige Voraussetzung nötig: die von vielen Experten erwartete Zinswende, vor allem in den USA, muss sich in Grenzen halten. Zwei oder drei kleinere Zinsschritte nach oben, das wäre ok, aber noch mehr wäre schlecht. Denn die Zinsen stellen nun einmal zum Aktienmarkt den traditionellen Gegenpart da – je höher die Zinsen, desto unattraktiver sind Aktien. Ausgehend von der Überlegung, dass am Aktienmarkt mit einer langfristigen durchschnittlichen Rendite von um die fünf bis sechs Prozent im Jahr zu rechnen i st, müssen die Zinsen ein gutes Stück darunter notieren, um keine ernsthafte Konkurrenz darzustellen.

Doch wie hoch die Zinsen steigen, hängt natürlich von der Inflationsentwicklung ab. Und die ist unklar. Experten streiten über die Inflationsgründe und darüber, ob diese sich im neuen Jahr verstärken oder abschwächen. Für beide Seiten gibt es gute Argumente. Einerseits steigt die Inflation, weil sich die Wirtschaft nach dem Krisenjahr 2020 kräftig erholt. Rohstoffe und Waren werden verstärkt nachgefragt, was sie verteuert. Und weil während der Pandemie deutlich weniger produziert wurde, herrscht nun an vielen Stellen Mangel. Lieferengpässe sind zu einem Alltagsphänomen geworden, in einem Ausmass, wie man das zuvor kaum erwarten konnte. Das treibt die Preise nach oben. Werden die Engpässe jedoch behoben, ist auch wieder mit einem Abflachen der Inflationsraten zu rechnen. Doch andererseits gibt es auch durchaus Faktoren, die für ein Andauern einer höheren Inflation sprechen. Allein der Umbau der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität erfordert hohe Investitionen. Neue Rohstoffe werden etwa für den Bau von Wind – und Sonnenkraftanlagen benötigt. Auch das wirkt inflationär. Ein Trend, der sich noch über einen längeren Zeitraum fortsetzen könnte.

Wie es also mit der Inflation und den Zinsen im neuen Jahr weitergehen wird, ist keineswegs sicher. Möglich ist, dass sich die Inflation auf einem im Vergleich zu den zurückliegenden Jahren höheren, aber insgesamt noch moderaten Niveau einpendelt. So lautet etwa die Einschätzung von Economiesuisse, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft. In einem aktuellen Beitrag betonen die Ökonomen, dass die Preissteigerungen aus dem Ausland auch in der Schweiz spürbar sein werden, aber nur in abgeschwächter Form. „Die Teuerung in der Schweiz ist vergleichsweise tief, und auch 2022 ist nicht mit einem starken Inflationsschub zu rechnen“, so die Einschätzung von Economiesuisse. Das Fazit des Dachverbandes: „Die Inflationsrate wird im Jahresdurchschnitt bei rund 1,2 Prozent liegen.“

Investmentideen für 2022

Zurück zur Ausgangsfrage, wie wird das Jahr 2022 am Aktienmarkt? Konkrete Prognosen sind und bleiben unsicher. Einiges spricht dafür, dass das neue Jahr ein „normales“ für Anleger werden könnte, wobei zwischenzeitliche Korrekturen jederzeit möglich sind. Teilt man diese Ansicht, könnte man Korrekturen zum Nachkauf nutzen. Und welche Aktien sollte man dabei bevorzugen?

Zyklische Werte wie ABB und Logitech sowie die Bauzulieferer Sika, LafargeHolcim, Geberit und Schindler könnten von einem Abflachen der Corona-Infektionszahlen und einer Fortsetzung beim Wirtschaftswachstum profitieren.

Die Experten von Goldman Sachs zum Beispiel empfehlen vor allem zyklische Werte. In der Schweiz gehören dazu unter anderem die Technologiekonzerne ABB und Logitech und die Bauzulieferer Sika, LafargeHolcim, Geberit und Schindler. All sie könnten von einem Abflachen der Corona-Infektionszahlen und einer Fortsetzung beim Wirtschaftswachstum profitieren. Andere Experten empfehlen ang esichts steigender Zinsen auch Finanz- und Versicherungswerte zum Kauf. Swiss Life, Zurich, Julius Bär, Credit Suisse und UBS gehören ihrer Einschätzung nach nun zumindest auf die Watchliste. Denn steigen die Zinsen können Finanz- und Versicherungsunternehmen ihr Geld lukrativer anlegen, was ihre Gewinne befeuert.

Eine weitere Investmentidee: Dividendenstarke Papiere. Denn kommt es zu zwischenzeitlichen Korrekturen, bieten Dividenden so eine Art Kurspuffer nach unten. Zudem, Dividendenaktien stabilisieren in schwächeren Börsenphasen das Depot, da sie oft weniger schwankungsanfälliger sind als der Gesamtmarkt. Dividendenaktien gibt es in der Schweiz einige, so etwa Swiss Re, Valiant, BB Biotech, Nestle und Roche. Apropos Dividende, allein 2021 sind die Dividenden in der Schweiz im Schnitt um sieben Prozent gestiegen. Mittlerweile ist die Schweiz der grösste Dividendenzahler in Europa. Allein die 20 grössten Schweizer Firmen werden 2021 rund 40 Milliarden Franken ausgeschüttet haben – so viel wie nie zuvor. Und auch für 2022 sind Experten zuversichtlich, sie rechnen mit neuen Ausschüttungsrekorden.

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